Gewaltdarstellungen und Figurenkonstellationen, bei denen Gewalt eine handlungsleitende oder dynamisierende Funktion hat, gehören zur Kunst und Literatur, seitdem es Kunst und Literatur gibt. Die Hexe in dem Märchen Hänsel und Gretel muss am Schluss der Erzählung in den Ofen, den sie für Hänsel heißmachen ließ, gestoßen werden. Da kann es kein Pardon geben, denn die Bedrohung des unschuldigen Kindes durch die habgierige Hexe, die die Not der Kinder systematisch nutzt, um an das zu kommen, was sie am meisten begehrt, nämlich die Unschuld und die Reinheit des Herzens, diese Bedrohung ist all zu groß und weist über die einzelnen Figuren Hänsel und Gretel hinaus. Es kann hier keine Vergebung für die alte Frau geben, denn das Böse erweist sich als nicht therapierbar. Die Hexe ist von Grund auf böse und muss in dem Muster des Märchens, in dem die Gegensätze ein stabiles Gleichgewicht haben, vernichtet werden. Es ist eine symbolische Vernichtung, die das Ende des Märchens erst gut machen kann. Die Gefahr ist gebannt: Die dunkle Erfahrung ist im Herzen der Kinder gut aufgehoben.
Auch in Filmen kommen Gewaltszenen besondere ästhetische oder narrative Funktionen zu. Wenn die Gewaltdarstellung keine besondere Motivation, keine spezifische Funktion im Handlungsverlauf oder dem Gesamt des symbolischen Inventars hat, dann ist sie nur schmückendes Beiwerk, verlängert den Film oder füllt das Handlungsvakuum. Gewalt im Film ist unter dieser Abwägung ein ästhetisches Mittel, das unter Umständen nicht schön, aber notwendig ist. Das soll an einem Beispiel deutlich gemacht werden: Wenn in der siebten Folge von Harry Potter die Totesser das Internat Hogwarts stürmen, dann ist dieser Kampf als brutaler, verlustreicher aber sehr konzentrierter Kampf aller Kräfte gegen die angreifende totalitäre Macht, die durch die Figur Voldemort versinnbildlicht wird, in jedem Detail ein notwendiger Kampf, der davon erzählt, wie die verschiedenen Figuren des Romans ihre Rolle in der Auseinandersetzung zwischen brutaler Herrschaft und zivilisierten Zusammenlebens von Mensch und Magie finden und finden müssen. Denn in dieser (finalen) Auseinandersetzung kann es keine Neutralität, keine Indifferenz mehr geben. Trauer, Verlust, Abschied, aber auch Mut und Tapferkeit haben hier Platz. Die Gewaltdarstellungen sind in dieser Geschichte notwendiger Bestandteil der Erzählung, denn nur durch diese entschlossene Konzentration aller Wesen und Menschen kann die Freiheit garantiert werden und nur so können alle am Ende ihren Platz auf der Welt wieder finden. Nicht der Kampf als heldenhafter Sieg über das Böse steht so im Mittelpunkt des Films (und des Romans), sondern vielmehr wie die unterschiedlichen Figuren in der Auseinandersetzung zu einer Position und zum Zusammenleben (wieder)finden. Auch Harry Potter muss langsam und immer stärker leiden, um zum Kern seines Selbst zu gelangen. Dieses Leiden ist das Leiden der Identitätsfindung: es kennt keine Abkürzung. Gleichwohl ist die Gewalt in diesem letzten Film der Harry Potter-Reihe drastisch. So drastisch, dass nicht Zehnjährige damit konfrontiert werden sollten, denn sie können die Bedeutung des Kampfes im Gesamtzusammenhang noch nicht in gleicher Weise realisieren wie die 13jährigen Zuschauerinnen und Zuschauer.
Mitunter sind aber auch die Bedeutungen, die Gewaltdarstellungen und Gewaltszenen übernehmen, selbst moralisch zweifelhaft. Diese Zweifelhaftigkeit ist kein ästhetisches, wohl aber ein moralisches Kriterium zur Beurteilung von Filmen. Wenn beispielsweise die Heldenhaftigkeit einer Figur durch drastische Kampfszenen erst richtig zur Geltung kommt und diese Heldenhaftigkeit stark ideologische Züge trägt, dann übernehmen Gewaltszenen die Funktion, eine spezifische Ideologie zu transportieren. Solche Darstellungen sind aus dem Nationalsozialismus oder anderen totalitären Systemen bekannt.
Aktiv an der Gesellschaft teilhaben
Medienerfahrungen weitergeben und in kommunikative Prozesse einbringen
Sicher in digitalen Umgebungen agieren
Risiken und Gefahren in digitalen Umgebungen kennen, reflektieren und berücksichtigen
Medien analysieren und bewerten
Wirkungen von Medien in der digitalen Welt analysieren und konstruktiv damit umgehen
Medien in der digitalen Welt verstehen und reflektieren
Chancen und Risiken des Mediengebrauchs in unterschiedlichen Lebensbereichen erkennen, eigenen Mediengebrauch reflektieren und gegebenenfalls modifizieren
Hinweis: Nähere Informationen zu den Kompetenzbereichen und dem Unterrichtsmaterial finden Sie in der „Didaktischen Landkarte“ im Bereich „Didaktik“.
Gewaltformen in der Klasse sammeln und unterscheiden: In einem Klassengespräch können zunächst ganz allgemein Formen der Gewalt aufgezählt und an der Tafel gesammelt werden, bevor sie in einer Tabelle oder in einer anderen Form sortiert werden. In aller Regel ist dies für die Schülerinnen und Schüler nur eine Wiederholung und dient dem Strukturieren des bekannten Wissens. Es lassen sich folgende Gewaltformen unterscheiden:
Anhand von Beispielen sollte die Problematik der Einschätzung von Gewalt thematisiert werden: Die Schülerinnen und Schüler lesen die Vorlage „Schätz mal ein: Wie weh tut es?“ und bearbeiten anschließend die Aufgaben vom Aufgabenblatt „Schätz mal ein: Wie weh tut es?“. Die Vorlage ist nicht selbsterklärend. Gemeinsam in der Klasse können Fragen dazu geklärt werden.
In der Klasse können dann die unterschiedlichen Einschätzungen ausgetauscht werden.
Vorbereitung auf den Film „Heimspiel“: Der Film ist in seiner Darstellung und Ausführlichkeit der gewaltvollen Szenen drastisch zu nennen. Es ist aber ein Film, der Gewalt, die zum Selbstzweck wird, thematisiert und erfahrbar macht. Geschildert wird das Doppelleben eines Lehrers, der unter der Woche liebevoller Partner und Lehrer ist und am Wochenende als Hooligan im Rausch der Gewalt aufgeht. Die Darstellung der Gewalt im Film hat die Funktion, die Zuschauer betroffen zu machen und zum Nachdenken über Gewalt in unserer Gesellschaft anzuregen.
Gleichwohl ist es ratsam, nach den Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler zum Konsum von Gewaltdarstellungen zu fragen. In der Regel sind die Erfahrungen und auch die Toleranzgrenzen hier sehr unterschiedlich. Der Film wurde von der FSK ab 12 Jahren freigegeben. Die Altersfreigabe wird vorab nicht mitgeteilt.
Gemeinsames (analytisches) Sehen des Films „Heimspiel“: Die Schülerinnen und Schüler erhalten das Arbeitsblatt „Analyseschema“, das sie während des Films ausfüllen. Nach dem Film soll es in Partnerarbeit noch einmal ergänzt werden.
Lesen der Vorlage „Das tut weh – Muss das sein?“ und Vorbereitung auf die folgende Diskussion:
Diskussion der Gewaltdarstellungen unter dem Aspekt der Altersfreigabe: Die Klasse wird in zwei Hälften geteilt und einem Außen- und Innenkreis zugeteilt. Im Innenkreis wird eine Person zum Moderator/zur Moderatorin gewählt, die auf die Verteilung der Redebeiträge achtet und zwischendurch immer mal zusammenfassen soll. Die Diskussion darf nicht länger als 20 Minuten dauern. Danach schildern die Jugendlichen im Außenkreis wie sie die Diskussion erlebt haben und welchen Argumenten sie folgen konnten und welchen nicht. Die Schülerinnen und Schüler im Außenkreis geben eine Empfehlung über die Altersfreigabe ab (Mehrheitsabstimmung). Danach dürfen die Schülerinnen und Schüler im Innenkreis diese Einschätzung noch einmal kommentieren.
Computer mit Internetzugang
Monitor, Beamer oder anderes Projektionsgerät
Vorlage: „Das tut weh – Muss das sein?“ (PDF)
Video: „Heimspiel“ (21:21)
Aufgabenblatt: „Analyseschema“ (DOC)
In der Aussage von Frau Goehlnich von der FSK in dem Film „Zur Arbeit der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)“ wird deutlich, dass bei der Einschätzung von Beeinträchtigung oder Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch Gewaltszenen die Darstellungsform eine entscheidende Rolle spielt. Der Begriff der „Gewaltinszenierung“ sollte in der Klasse diskutiert werden. Jugendlichen ist nicht immer bewusst, aus welcher Perspektive sie Gewaltdarstellungen geboten bekommen und welche Wirkung das in ihnen entfaltet.
Computer mit Internetzugang
Monitor, Beamer oder anderes Projektionsgerät
Video: „Zur Arbeit der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)“ (05:37)
Aufgabenblatt: „Analyseschema“ (DOC)
Reflexion der Argumente zur Altersfreigabe: Die Schülerinnen und Schüler sollen die Altersfreigabe zu dem Film „Heimspiel“ aus der Sicht einer Mutter eines vierzehnjährigen Sohnes, eines Filmwissenschaftlers oder eines Politikers, der Innenminister in einem Bundesland ist, für die Zeitung kommentieren. Sie beziehen sich auf die Argumente aus der Diskussion der letzten Stunde. Die unterschiedlichen Positionen können anschließend auch noch einmal in eine (gespielte Fernseh-)Debatte eingehen.
Die Schülerinnen und Schüler können anhand der Text-Bild-Seiten „Gewaltformen und mediale Bilder“ noch einmal unterschiedliche Gewalttypen und -mechanismen vergegenwärtigen. Dies dient auch der Vorbereitung des nächsten Schrittes.
Computer mit Internetzugang
Text-Bild-Seiten: „Gewaltformen und mediale Bilder“
Nach einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Thema „Gewalt“ und „Gewaltdarstellung“ können die Schülerinnen und Schüler die Vorlage „Schätz mal ein: Wie weh tut es?“ auch noch auf den Film „Heimspiel“ beziehen. Man kann ihnen die Aufgabe stellen, die im Film dargestellte Gewalt den in der Vorlage dargelegten Theorieansätzen zuzuordnen.